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Science Pavilion UZH

Das Modell

Das Exponat 

Durch Drücken der Pedale werden die beiden Kugeln in Drehung versetzt. Ihre Bewegung erzeugt Wellen im Stoff, die sich mit einer Geschwindigkeit ausbreiten, die von der Steifigkeit des Stoffes abhängt. Diese charakteristische Geschwindigkeit beträgt etwa 10 m/s (36 km/h), und die beiden Kugeln müssen sich mit fast dieser Geschwindigkeit bewegen, um die Wellen zu erzeugen.  

In diesem Experiment benutzen wir stroboskopische Lichter, um alle Geschwindigkeiten langsamer erscheinen zu lassen: So kann man die Wellen sehen.   

Gravitationswellen 

Die beiden Kugeln in dem Exponat stellen zwei schwarze Löcher dar, und der Stoff steht für den Raum. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie ist der Raum etwas, das dynamisch mit der Materie interagiert: Die Präsenz von Materie krümmt den Raum und die Bewegung von Materie kann Wellen erzeugen, wie in dem Stoff dieses Modells.  

Die Krümmung des Raums, die durch das gekrümmte Gitter auf den Böden dargestellt wird, ist genau das, was wir Gravitation nennen. Und die Wellen, die von sich bewegenden Objekten erzeugt werden, nennt man Gravitationswellen.  

Allerdings verhält sich der Raum wie ein sehr steifer Stoff, und jede Dehnung und Schrumpfung ist extrem gering. 

Künstlerische Darstellung eines Gravitationswellensignals.
Künstlerische Darstellung eines Gravitationswellensignals. Copyright ©Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences.
 

Nachweis 

Wenn eine Gravitationswelle vorbeikommt, ändern sich die Abstände zwischen Objekten auf eine charakteristische Weise, die von der Theorie vorhergesagt wird. Durch präzise Messung der Abstände ist es deshalb im Prinzip möglich, Gravitationswellen nachzuweisen. 

Die stärksten Gravitationswellen stammen von verschmelzenden schwarzen Löchern und entsprechen einer Störung im Raumgewebe von einem Teil auf weniger als tausend Millionen Milliarden. Das entspricht weniger als der Grösse eines Protons über mehrere Kilometer. 

So genaue Apparaturen konnten erstmals 2015 in Betrieb genommen werden: die LIGO-VIRGO Experimente konnten 2015 zum ersten Mal Gravitationswellen nachweisen. Diese Experimente sind das Ergebnis der Zusammenarbeit von mehr als tausend Forschenden aus der ganzen Welt in den letzten drei Jahrzehnten. 

Die LIGO-Detektoren befinden sich in Washington State und Louisiana in den USA, während VIRGO in der Toskana in Italien installiert ist.  Diese Instrumente messen den Unterschied in der Lichtlaufzeit über mehrere Kilometer, wenn eine Gravitationswelle vorbeigeht. Dies ermöglicht den Nachweis von Gravitationswellen, die durch die Verschmelzung von Sternenresten in Form von Neutronensternen und schwarzen Löchern entstehen.  Diese Wellen haben Frequenzen zwischen 10 Hz und 1000 Hz. 

In den kommenden Jahren sollen weitere Experimente Gravitationswellen nachweisen. 

  • Einstein-Teleskop (Mitte der 2030er Jahre): ein Detektor der nächsten Generation in Europa.  Er wird LIGO und VIRGO ähneln, aber eine viel höhere Empfindlichkeit haben, d. h. es wird in der Lage sein, sehr schwache Signale zu entdecken. Es wird erwartet, dass es Millionen Mal mehr Quellen aufspüren wird, als derzeit bekannt sind. 
  • LISA (Laser Interferometer Space Antenna, Mitte der 2030er Jahre): ein weltraumbasiertes Gravitationswellenobservatorium. Es wird aus drei koordinierten Raumsonden bestehen, die Millionen von Kilometern voneinander entfernt sind. Es Quellen nachweisen können, die aufgrund der niedrigeren Frequenz der Gravitationswellen mit anderen Methoden nicht entdeckt werden können. 
  • Pulsar Timing Array (Datennahme hat begonnen): eine Reihe von Radioteleskopen, die die gepulste Emission von drehenden Neutronensternen (Pulsaren) messen. Pulsare verhalten sich wie extrem genaue natürliche Uhren, und die Messung kohärenter Abweichungen von der Regelmässigkeit in den Zeitsignalen vieler Pulsare würde auf Gravitationswellen hinweisen, die zwischen uns und den Pulsaren passieren. 
  • Spacecraft Ranging Die Messung der Laufzeit von Radio-Signalen zu und von Raumfahrzeugen ist ein wichtiger Teil von Weltraummissionen. Gravitationswellen würden diese Radiosignale in einer vorhersehbaren Weise stören. Raumsonden zu anderen Planeten, wie Juno zum Jupiter und Cassini zum Saturn, haben in ihren Entfernungsdaten nach Signaturen von Gravitationswellen gesucht, aber die erforderliche Genauigkeit wurde noch nicht erreicht. Eine für die 2030er Jahre geplante Mission zum Uranus mit verbesserter Empfindlichkeit könnte Gravitationswellen nachweisen. 
Gravitationswelle Spektrum. Verschiedene Gravitationswellen-Observatorien können verschiedene Arten von Gravitationswellen messen, d. h. Wellen mit unterschiedlichen Frequenzen und auf verschiedenen Zeitskalen.
Verschiedene Gravitationswellen-Observatorien können verschiedene Arten von Gravitationswellen messen, d. h. Wellen mit unterschiedlichen Frequenzen und auf verschiedenen Zeitskalen. Die Polarisation des kosmischen Mikrowellenhintergrunds (Strahlung im Universum, die aus der Frühzeit des Universums stammt, als das Universum gerade einmal 400.000 Jahre alt war) kann Signaturen der niederfrequenten Gravitationswellen enthalten, die in der Frühphase unseres Universums während der Inflation erzeugt wurden.
 

Wie funktionieren die Experimente LIGO und VIRGO? 

Die Experimente LIGO und VIRGO bestehen aus grossen Interferometern (jeder Arm ist etwa 4 Kilometer lang), die sich teils unter der Erde befinden. Interferometer sind Instrumente, die die Interferenz von zwei Laserstrahlen nutzen, um die genauesten Entfernungsmessungen der Welt durchzuführen. Diese Animation zeigt die Funktionsweise dieser Instrumente in vereinfachter Form [credits: T. Pyle, Caltech/MIT/LIGO Lab]. 

Ein Laserlichtstrahl wird in zwei gleiche Strahlen aufgeteilt, die sich in jedem der beiden Arme des Experiments, die senkrecht zueinanderstehen, bewegen. Am Ende eines jeden Arms befindet sich ein Spiegel, der das Laserlicht zurück reflektiert. Nach dem Rücklauf werden die beiden Laserstrahlen auf einem Detektor wieder rekombiniert (d. h. sie interferieren). Wenn die Länge der Arme identisch ist, wird das rekombinierte Signal auf dem Detektor ein klar definiertes Interferenzmuster erzeugen. Wenn jedoch eine Gravitationswelle vorbeizieht, ändern sich die Längen der beiden Arme des Instruments in einer charakteristischen Weise: Dies führt zu einem anderen Interferenzmuster, wenn die beiden Lichtstrahlen wieder kombiniert werden. Durch den Vergleich der Variationen des Musters mit dem erwarteten simulierten Signal können die Wissenschaftler*innen verstehen, wann eine Gravitationswelle vorbeizieht, die Art der Variation erlaubt es Informationen über die Quelle der Gravitationswellen zu gewinnen. Beachten Sie, dass die Auswirkungen der Gravitationswellen in diesem Video stark übertrieben wurden, um zu zeigen, wie das Instrument funktioniert. In Wirklichkeit sind die Längenänderungen der Arme des Instruments kleiner als die Grösse eines Protons über mehrere Kilometer. 

Wie funktioniert LISA? 

In diesem Video erklärt Prof. Philippe Jetzer LISA, das erste Gravitationswellenobservatorium im Weltraum. Das Projekt wird von der ESA unter Mitwirkung der NASA geleitet und soll 2036 ins All starten. Die Nachweisung von Gravitationswellen soll dazu beitragen, Erkenntnisse z. B. über die Entwicklung von Galaxien und die allgemeine Relativitätstheorie zu gewinnen. Professor Jetzer vom Departement für Physik der Universität Zürich ist der Schweizer Vertreter im LISA Science Study Team der ESA. Thales Alenia Space hat die Front-End-Elektronik für den Satelliten LISA Pathfinder gebaut, der im Dezember 2015 gestartet wurde und mehrere technische Komponenten, die für LISA benötigt werden, erfolgreich getestet hat.

Quellen von Gravitationswellen 

Jeder massive Körper, der sich beschleunigt, erzeugt Gravitationswellen. Aber die Gravitationswellen, die zum Beispiel von einem beschleunigenden Auto erzeugt werden, sind viel zu schwach, um gemessen zu werden. Die stärksten Gravitationswellen werden von Paaren sich gegenseitig umkreisender Objekte erzeugt, die selbst extrem starke Gravitationsfelder haben.    Dazu gehören insbesondere die folgenden: 

  • Schwarzes Loch mit stellarer Masse Ein Überrest eines massereichen Sterns, der ein Vielfaches der Masse der Sonne hat, aber nur ein paar Dutzend Kilometer gross ist. Es krümmt den Raum so stark, dass nichts, auch kein Licht, genug Energie hat, um ihm zu entkommen. 
  • Super-massives schwarzes Loch Ein riesiger Verwandter der oben genannten Schwarzen Löcher, mit einer millionenfachen Masse der Sonne. Im Zentrum der Milchstrasse befindet sich ein supermassives Schwarzes Loch, wie auch in den Zentren der meisten anderen Galaxien. 
  • Neutronenstern Ein stellarer Überrest, der nicht massereich genug ist, um ein Schwarzes Loch zu werden. Hier wurde die Materie durch ihre eigene Schwerkraft zu einer Quantensubstanz zusammengepresst, die sich wie ein einziges riesiges Neutron verhält. Zum Beispiel ist ein Neutronenstern mit etwa 1.4 Sonnenmassen so stark komprimiert, dass er nur einen Durchmesser von 11 km hat. 
  • Weisser Zwerg Ein weniger extremer stellarer Überrest, der aus einem sonnenähnlichen Stern entstanden ist. Nachdem sein gesamter Wasserstoffbrennstoff verbraucht wurde, schrumpfte der Stern auf eine Grösse, die mit der Erde vergleichbar ist. 
Simulation einer Verschmelzung von Schwarzen Löchern.
Simulation einer Verschmelzung von Schwarzen Löchern mit asymmetrischen Massen und orbitaler Präzession (Richtungsänderung der Rotationsachse), die mit GW190412 übereinstimmt. Credits: N. Fischer, H. Pfeiffer, A. Buonanno (Max Planck Institute for Gravitational Physics), Simulating eXtreme Spacetimes (SXS) Collaboration.

Nobelpreis 2017 

Der Nachweis und die Analyse der Informationen,  der Signale von Gravitationswellen eröffnen eine neue Ära für die Astrophysik, die es den Wissenschaftler*innen ermöglicht, das Universum auf eine völlig neue Art und Weise zu erforschen, und die zum ersten Mal Licht auf bisher nicht sichtbare Phänomene wirft. 

Für diese beeindruckende Leistung wurden Barry C. Barish, Kip S. Thorne und Rainer Weiss, drei wichtige Mitbegründer von LIGO, 2017 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. 

Laut Kip Thorne: Der Preis gehört zu Recht den Hunderten von LIGO-Wissenschaftler*innen und -Ingenieur*innen, die unsere komplexen Gravitationswellen-Interferometer gebaut und perfektioniert haben, und den Hunderten von LIGO- und Virgo-Wissenschaftler*innen, die die Gravitationswellensignale in den verrauschten Daten von LIGO gefunden und die Informationen der Wellen extrahiert haben. Es ist schade, dass der Preis aufgrund der Statuten der Nobel-Stiftung an nicht mehr als drei Personen gehen muss, obwohl unsere wunderbare Entdeckung das Werk von mehr als tausend Menschen ist.

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Weiterführende Informationen

Logo von der AGORA Projekt "the irresistible attraction of gravity". Die Erde und der Mond drehen sich lächelnd im Kreis.

AGORA PROJECT "The irresistible attraction of gravity"

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