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Elektrischen Strom verlustfrei leiten? Materialien, die plötzlich zu schweben beginnen? Nein, keine Science-Fiction, sondern ein quantenmechanisches Phänomen. Dieses tritt nur bei extrem tiefen Temperaturen auf und wird Supraleitung genannt. Wird es in Zukunft möglich sein, Materialien zu entwickeln, die auch bei Normalbedingungen supraleitend sind?
Supraleitende Materialien sind Werkstoffe – Metalle oder leitfähige Keramiken – die bei extrem tiefen Temperaturen ihre physikalischen Eigenschaften schlagartig verändern: Im supraleitenden Zustand leiten sie elektrischen Strom widerstandsfrei und zeigen in einem Magnetfeld spezielle Effekte.
Supraleitende Materialien werden technisch in erster Linie für die Erzeugung extrem starker Magnetfelder eingesetzt: So enthält der CMS-Detektor am CERN supraleitende Magnete, die ein Magnetfeld erzeugen können, das 100’000-mal stärker ist als jenes der Erde.
Das Phänomen Supraleitung beruht auf quantenmechanischen Vorgängen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Phänomenen aus dem Bereich der Quantenmechanik sind die Auswirkungen der Supraleitung direkt erfahrbar.
Es gibt zwei Betrachtungsweisen, um supraleitende Materialien zu klassifizieren: Die eine Betrachtungsweise gruppiert anhand der Höhe der Temperatur, bei der das Material supraleitend wird. Bei der zweiten Betrachtungsweise wird nach dem Verhalten des supraleitend gemachten Materials in einem Magnetfeld unterschieden.
Tieftemperatur-Supraleiter (meistens Metalllegierungen)
Hochtemperatur-Supraleiter (keramische Metalloxide)
Supraleiter der ersten Art (auch Typ I)
Sie verdrängen ein an sie angelegtes Magnetfeld an ihre Oberfläche (sog. Meissner-Ochsenfeld-Effekt). Sie sind in ihrem Innern somit nicht magnetisch und leiten elektrischen Strom nur über ihre Oberfläche, aber nicht im Innern.
Supraleiter der zweiten Art (auch Typ II)
Sie bündeln zusätzlich zum Meissner-Ochsenfeld-Effekt ein an sie angelegtes Magnetfeld in Kanälen (sog. Flussschläuchen). Die stark gebündelten Magnetfelder in den Flussschläuchen unterdrücken dort lokal die Supraleitung. Supraleiter dieser Art haben somit Bereiche, in denen sie supraleitend und andere (in den Flussschläuchen), in denen sie normalleitend sind.
Wie wird elektrischer Strom geleitet?
Metalle leiten den elektrischen Strom. Dies hängt mit dem Aufbau der Metallatome zusammen: Sie besitzen nur wenige Elektronen auf ihren äussersten Schalen (sogenannte Aussenelektronen), die sie aber je nach Element leicht abgeben können.
Aufbau eines Aluminiumatoms im Schalenmodell
Elektrische Leitfähigkeit von Metallen
Wenn Metallatome, die in einem Kristallgitter angeordnet sind, ihre Aussenelektronen abgeben, verbleibt der Rest als positiv geladene Atomrümpfe. Die abgegebenen (elektrisch negativ geladenen) Aussenelektronen sind zwischen den Atomrümpfen frei beweglich. Sie bilden das sogenannte Elektronengas und können den elektrischen Strom leiten.
Bei Raumtemperatur leiten Metalle elektrischen Strom mit einem Widerstand. Dieser entsteht, da die frei beweglichen Elektronen im Elektronengas mit anderen Elektronen und den sich auf Grund der Temperatur bewegenden Atomrümpfen zusammenstossen und so ihre Bewegungsenergie wieder abgeben. Wird die Temperatur erhöht, schwingen die Atomrümpfe stärker. Es finden mehr Kollisionen statt. Deshalb nimmt der elektrische Widerstand mit steigender Temperatur zu.
Der Widerstand ist definiert als Quotient aus angelegter Spannung und dem Strom, der im Material fliesst:
Im supraleitenden Zustand zeigen Materialien interessante Effekte, die sich teilweise technisch nutzen lassen. Charakteristisch für supraleitende Materialien sind:
Diamagnetismus
Wie er entsteht und wirkt:
Meissner-Ochsenfeld-Effekt
Wie er entsteht und wirkt:
Cooper-Paare
Wie sie entstehen und wirken:
Zusätzlich zu diesen Effekten bilden supraleitende Materialien der zweiten Art in einem von aussen an sie angelegten starken Magnetfeld Flussschläuche aus.
Flussschläuche
Wie sie entstehen und wirken:
Seit der Verleihung des Nobelpreises für Physik 1987 für die Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung an Karl Alex Müller und Johannes Georg Bednorz ist die Universität Zürich führend in der Erforschung der Hochtemperatur-Supraleitung.
Professor Andreas Schilling hält seit 1993 den Rekord für die höchste je gemessene Sprungtemperatur (-140° Celsius) eines Supraleiters bei Normaldruck.
Aktuell betreiben an der UZH die Physiker Johan Chang und Andreas Schilling experimentelle Forschung im Bereich Hochtemperatur-Supraleitung: Sie suchen unter anderem nach Materialkombinationen mit möglichst hohen Sprungtemperaturen.
Der Physiker Titus Neupert beschäftigt sich mit theoretischen Aspekten der Supraleitung, unter anderem erforscht er topologische Isolatoren mit supraleitenden Kanten.
Prof. Johan Chang
Experimentalphysiker
Herkunft: Dänemark,
seit 2015 an der UZH
Chang leitet das Labor für Quantenmaterieforschung und forscht in den Bereichen korrelierte Supraleitung, unkonventionelle Ladungsordnung, Vortex-Physik, Quantenkritikalität und Phasenkonkurrenz.
Prof. Andreas Schilling
Experimentalphysiker
Herkunft: Schweiz,
seit 2003 an der UZH
Schilling erforscht neue Materialien und arbeitet v. a. in den Bereichen Supraleitung, Magnetismus und Thermodynamik. Unter anderem entwickelt er supraleitende Dünnfilm-Nanodraht-Einphotonen-Detektoren, die im Röntgenbereich arbeiten.
Videoportrait von Prof. Andreas Schilling:
Prof. Titus Neupert
Theoretischer Physiker
Herkunft: Deutschland,
seit 2016 an der UZH
Neupert leitet die Gruppe für die Theorie der kondensierten Materie. Er erforscht Quantenmaterialien und entwickelt neuartige numerische Methoden für topologische und korrelierte Systeme.
Videoportrait von Prof. Titus Neupert:
In der theoretischen Physik geht es darum, das Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung erklären und abschliessend mathematisch beschreiben zu können. Experimentell wird nach Hochtemperatur-Supraleitern mit möglichst hohen Sprungtemperaturen gesucht. Falls es gelingt, Materialien zu entwickeln, die bei Normalbedingungen – also bei normalem Druck und Raumtemperatur – oder nahe bei Normalbedingungen supraleitend sind, wäre dies ein Durchbruch mit zahllosen technischen Anwendungen.
Für Hochtemperatur-Supraleiter gibt es aufgrund der Sprödheit der Materialien bis heute wenig praktische Anwendungen. Mithilfe von Tieftemperatur-Supraleitern lassen sich extrem starke Magnetfelder erzeugen. Diese werden im Hightech-Bereich und in der medizinischen Diagnostik eingesetzt:
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